essay

sprechen sie noch deutsch?

Die deutsche Sprache ist in Gefahr. Nein, nicht wegen Corona, unsere Sprache ist von einem anderen Virus befallen, dem Anglizismus. Unsere Sprache wird nach und nach durch Englisch ersetzt. Kümmern tut es uns nicht, denn es scheint hipzu sein. 

 

Ja, ich gebe es zu, ich gehöre auch zu ihnen; zur Sorte Menschen, die kaum einen Satz ohne einen englischen Begriff formulieren können. Meine Ausrede: ich war auf einem britischen Internat und mache meine Matura zweisprachig. Mit Deutsch als Muttersprache, gibt es keine Ausrede, weshalb einem das englische Wort schneller einfällt oder man das deutsche Wort plötzlich nicht mehr kennt. Ich ertappe mich immer wieder dabei, wie es mir auf die Neven geht, wenn Menschen, anstelle des deutschen Begriffes, ständig das englische Pendant benutzen. Doch wenn ich ehrlich bin, muss ich mir eingestehen, dass ich selber genauso spreche. 

 

Doch woran liegt dieser Hang zum Englischen? Die meisten würden diesen Trend mit der zunehmenden Globalisierung begründen. Wir sind vernetzter, informieren uns über das internationale Weltgeschehen und haben Arbeitskollegen from all around the world. Das Internationale gilt heute als Unique Selling Point. Universitäten werben mit möglichst hohen Zahlen an oversea students und in den Schulen wird die Nachfrage nach zweisprachigen degrees immer grösser. 

 

Doch wofür das immer grössere Streben nach Internationalism? Auf die Frage weshalb immer alles globaler und internationaler sein muss, wird oft mit der steigenden Konkurrenz argumentiert. Dabei fällt immer wieder die Aussage, wir dürften nicht hinter China zurückbleiben. Denn dort werden die Kinder ja schon im Kindergarten in Englisch unterrichtet.

 

Der steigende Konkurrenzdruck ist sicherlich einer der Auslöser dieser Entwicklung. Gute Englischkenntnisse erachten viele Arbeitgeber als selbstverständlich. Viele Unternehmen sind global vernetzt, haben Handelspartner im Ausland und vertreiben ihre Waren auf internationalen Märkten. Dabei ist die Kompetenz, mehrere Sprachen zu sprechen, fundamental. Fremdsprachen werden immer wichtiger und dabei steht Englisch als Weltsprache an erster Stelle. Die Dominanz des Englischen im Arbeitsumfeld ist unbestritten.

 

Doch diese Vorherrschaft begrenzt sich nicht mehr nur auf die Arbeitswelt. Heute dominieren englische Begriffe auch den Alltag. In den Geschäften werden Preissenkungen nicht länger mit den Begriffen «Aktion» oder «Rabatte» beworben. Viel öfter sieht man die Bezeichnung «sale» in einem Schaufenster und auch umgangssprachlich findet das Wort Schlussverkauf immer seltener Anwendung. 

 

Viele dieser Anglizismen wurden durch international tätige Unternehmen eingeführt und nach und nach von der Gesellschaft in die deutsche Sprache übernommen. Aus dem englischen Sprachraum stammende Unternehmen machen sich heute nicht mehr die Mühe, ihre Produkte mit deutschen Bezeichnungen zu versehen. So bestellen wir bei der berühmten amerikanischen Fast-Food-Kette keinen «grossen Burger» und an der Kasse wir nach der Membership-Karte gefragt. 

 

Dabei liegt das Problem nicht darin, dass die Waren auf Englisch angeboten werden, sondern vielmehr in der Tatsache, dass es uns nicht einmal mehr auffällt. Der Prozess der Anglifizierung verläuft schleichend und hat bereits einen beachtlichen Teil unserer Sprache eingenommen. Es ist wohl den wenigsten bewusst, dass es für einen Computer auch ein deutsches Wort gibt, oder dass ein Blazer, die Bezeichnung für eine knöpfbare Sportjacke ist. Und ich wage zu bezweifeln, dass Sie das Wort Säugling schon ausserhalb des Biologieunterrichts verwendet haben.

 

Die zunehmende Signifikanz von Social Media Plattformen wie Instagram oder TikTok in unserem Alltag hat diese Entwicklung entscheidend beschleunigt. Die sozialen Medien ermöglichen den Austausch mit Menschen der ganzen Welt, und dieser Austausch findet fast ausnahmslos auf Englisch statt. So wird vor allem die Jugendsprache von Anglizismen dominiert und deutsche Bezeichnungen werden zunehmend ersetzt. Die Teenager chatten mit ihren friends, liken die neusten Posts und das neue T-Shirt der BFF ist cute oder pretty.

 

Doch ich behaupte ein weiterer Grund für die immer grösser werdende Präsenz der englischen Sprache in unserem Alltag, ist das Bedürfnis sich von der Masse abzuheben. Es sind mir kaum Altersgenossen bekannt, welche sich für eine Immersionsklasse entschieden haben, weil sie sich vor der Konkurrenz aus China fürchten. Vielmehr hört sich einfach cooler an, wenn man der Tante erklären kann, dass man das IB, anstatt die herkömmliche Matura macht, oder dass man gerade ein Meeting mit einem business partner aus Shanghai hatte und sich gleich mit einem Freund aus Dubai zu einem after work drink trifft. Denn dieses Phänomen beschränkt sich nicht nur auf die Jugend. Man muss sich von der Masse abheben, die Menschen embracen ihre Vielfalt und leben ihre Individualität und das passiert immer öfter durch die Sprache. Offen zugeben würden das jedoch die wenigsten. 

 

Die Sprache bietet ein optimales Mittel sich von anderen abzugrenzen. Spricht man eine andere Sprache, können einem die anderen Menschen nicht verstehen. Dies wurde mir auf Grund meiner eigenen Erfahrung im britischen Internat klar. Ich wage zu behaupten, dass ich und meine deutschsprachigen Mitschüler während unserer Zeit dort mehr Deutsch als Englisch gesprochen haben. Nicht weil wir nicht Englisch lernen wollten, doch unsere Sprache war ein Mittel uns von den anderen abzuheben, unser Unique Selling Point.

 

Die zunehmende Anglifikation unseres Alltages ist eine Entwicklung, die sich nicht mehr stoppen lässt. Die Drohung Deutsch würde in ein paar Jahren verschwinden ist übertrieben. Das Problem liegt vielmehr darin, dass wir uns der immer grösser werdenden Präsenz der englischen Sprache nicht bewusst sind und unsere Augen vor den Gefahren, welche damit einhergehen verschliessen. Es ist kein Verbrechen Anglizismen zu benutzen. Das Bewusstsein, dass es sich um ein Fremdwort handelt, muss jedoch vorhanden sein. Und es wäre hilfreich, wenn einem der deutsche Begriff auch noch einfallen würde, auch wenn das englische Wort cooler ist.